
Während der Corona-Pandemie versuchen Neonazis gezielt, in der Bewegung der Coronaleugner*innen und Verschwörungsgläubigen neue Interessierte für ihre Gruppierungen zu gewinnen. Sie wittern in der Verunsicherung und Unzufriedenheit bestimmter Bevölkerungsanteile einen idealen Nährboden für neonazistische Agitation. So auch in Ostwestfalen. 2021 tritt eine neue Neonazi-Gruppe mit dem Namen „Aktion Hermannsland“ bei instagram, telegram und später auch tiktok in Erscheinung. Angeführt von Lennard Sanner und seiner Partnerin Ann-Marie Diedrichs aus Horn-Bad Meinberg sammelt sich hier eine einstellige Zahl junger Neonazis aus dem lippischen Umland um Detmold. Die Gruppe kann dem Spektrum der Jungen Nationalisten (JN), der Nachwuchsorganisation der Partei Die Heimat (vormals NPD), zugeordnet werden. Zu den öffentlichen Aktionsformen gehörten vor allem die Inszenierung von Videos für die Social-Media-Kanäle der Gruppe. Dabei griff die Gruppe wiederholt zu Störaktionen gegen linke, antirassistische und prodemokratische Kundgebungen in Detmold und Horn. Bei den entsprechenden Aktionen entrollte die Gruppe Banner mit rassistischen und queerfeindlichen Parolen. Im September 2024 führte die Aktion Hermannsland eine gemeinsame Aktion mit der Gruppe Freischar Westfalen um Daniel Kokott durch, deren Ziel die Verbreitung rassistischer und völkischer Narrative war. Am 12.11.24 fanden bei Sanner und Diedrichs in Horn-Bad Meinberg eine Hausdurchsuchung statt. Zeitgleich fanden auch bei Daniel Kokott (Freischar Westfalen) in Leopoldshöhe, Dario Voss in Bielefeld (Westfalens Erben, Ableger der Identitären Bewegung) und bei einer weiteren Person in Lage Hausdurchsuchungen statt. Gefunden wurden u.a. Schreckschusswaffen, Messer und ein Luftgewehr. Kurz darauf, am 18.11.24, verkündete die Aktion Hermannsland auf TikTok ihre Auflösung. Auflösungserklärungen sind eine beliebte Strategie in der Neonazi-Szene, um staatlichen Repressionen zu entgehen. In aller Regel werden nach der Auflösungsverkündung die Gruppenaktivitäten unter einem neuen Namen oder aber ohne eine öffentliche Namensnennung fortgesetzt. So auch bei der Aktion Hermannsland.
Fortgesetzte Aktivitäten
Seit der Verkündung der Auflösung am 18.11.2024 tritt die Aktion Hermannsland immer wieder öffentlich in Erscheinung . Nur wenige Wochen nach der vermeintlichen Auflösung reisten Sanner, Diedrichs, Justin Steiger und drei weitere Mitglieder der Aktion Hermannsland gemeinsam mit Daniel Kokott nach Magdeburg zu einer Neonazi-Demo. Im Februar 2025 nahmen Sanner, Steiger und zwei weitere Neonazis der Aktion Hermannsland an dem geschichtsrevisionistischen Neonazi-Aufmarsch in Dresden teil. Am 25.03.25 organisierte Daniel Kokott eine rassistische Kundgebung in Leopoldshöhe. Auch Lennard Sanner, Justin Steiger und Dennis Hopp nahmen an der Kundgebung teil. Der 01. Mai ist ein in der Neonazi-Szene bedeutungsträchtiges Datum. Am Tag der Arbeit versuchen Neonazis gezielt, sich als Bewegung der Arbeiter*innenklasse zu inszenieren. Zu diesem Zweck reisten die männlichen Mitglieder der Aktion Hermannsland in die thüringische Stadt Suhl und nahmen dort in uniformer Kleidung an dem Aufmarsch der neonazistischen Kleinstpartei Der Dritte Weg teil.
Ein Pärchen in Führungsposition
Lennard Sanner und Ann-Marie Diedrichs sind Anführer*innen und Kern der Aktion Hermannsland. Sie leben mit den beiden gemeinsamen Kindern in Horn-Bad Meinberg. Sanner betreibt dort mit „Teutonia Holzbau“ einen Holzarbeits-Einmann-Betrieb und züchtet nebenbei Kaninchen. Die beiden haben gute Kontakte in die lippische völkische Szene rund um die in der verbotenen Heimattreuen Deutschen Jugend (HDJ) aktiven Familien Ulrich und Hanusek, wie wir schon 2023 in einer Recherche zu dem völkischen Nachwuchs dokumentierten. Sanner ist ein seit Jahren aktiver Neonazi, der seit 2017 sowohl regional als auch überregional in rechtsnationalistischen und neonazistischen Kontexten aktiv ist. Nach einem kurzen Intermezzo bei der rechtsnationalistischen Burschenschaft Normannia Nibelungen 2017 trat Sanner der Nachwuchsorganisation der Partei Die Heimat (vormals NPD) den Jungen Nationalisten (JN) bei und war in den Folgejahren bei diversen Neonazi-Aufmärschen bundesweit anzutreffen. Seit einigen Jahren ist Sanner mit Ann-Marie Diederichs aus Göttingen liiert. Diederichs war über Jahre Teil der Göttinger Neonazi-Szene und stammt selbst aus einem völkisch-neonazistischen Familienverband. Sanner und Diederichs haben mittlerweile zwei gemeinsame Kinder. In den Online-Auftritten der Aktion Hermannsland wurde Diedrichs als Identifikationsfigur für das herrschende antifeministische, völkische Frauenbild inszeniert. Bei öffentlichen Aktionen der Neonazi-Gruppe tritt Diedrichs durchaus auch aufdringlich und aggressiv in Erscheinung. Als die Aktion Hermannsland am 14.04.2024 versuchte, eine Demokratie-Kundgebung auf dem Marktplatz in Horn zu stören, versuchte Diedrichs offensiv, Teilnehmende der linken Kundgebung abzufilmen und fiel mit lauten Beleidigungen auf. Im März 2022 nahmen Sanner und Diedrichs mit ihrer älteren Tochter an einem konspirativen Treffen der mittlerweile verbotenen Artgemeinschaft teil. Als die Artgemeinschaft am 27.09.2023 verboten wurde, beteiligten sich Sanner und Diedrichs an der Seite von Erik Hanusek, Gerlinde Ulrich und anderen völkischen Neonazis an einer Protestaktion in der Detmolder Innenstadt.
Nähe zur AfD Lippe – Faschistische Parteiformierungen

Die Aktion Hermannsland fällt schon länger durch eine große Nähe zu der AfD Lippe auf. Mitglieder brachten im Juni 2024 Wahlplakate für den Europawahlkampf an und reisten zur Unterstützung des Landeswahlkampfs als Teil einer Delegation der JA NRW mit Felix Hermann Hampe (AfD Lippe) nach Thüringen. Im Oktober 2024 veranstaltete die AfD Lippe eine rassistische Kundgebung in Horn, an der auch die Mitglieder der Aktion Hermannsland mit Ausnahme von Ann-Marie Diedrichs teilnahmen. An der Kundgebung nahmen deutlich mehr organisierte Neonazis teil als unorganisierte Bürger*innen. Ein Neonazi der Aktion Hermannsland hielt bei der Kundgebung räumlich Abstand von seinen Kameraden und blieb stets bei dem LKW der AfD. Mittlerweile ist dieser Neonazi Teil der AfD Lippe und im lokalen Jugendverband der AfD Lippe, der Jungen Alternative (JA) aktiv. Er trat im aktuellen Bundestagswahlkampf für die AfD Lippe an den Wahlkampfständen auf und nahm auch an parteiinternen Zusammenkünften teil. So nahm er u.a. an der Wahl von Udo Hemmelgarn als Direktkandidat für die Bundestagswahl teil. Diese Nähe zwischen der lokalen Neonazi-Szene und der AfD Lippe ist nicht einseitig. Parteifunktionäre wie Viktor Hübner, Rolf-Arno Maertzke und Simon Niederleig nehmen regelmäßig an Montagsspaziergängen (hervorgegangen aus der Pandemie-Zeit) teil, die von Neonazi Gerd Ulrich organisiert werden.















